Bürger-Dialog Ortsentwicklung Bad Schönborn

17.04.2018, 15:53 Uhr

Wachstum der Kommunen muss wohl bedacht und gut geplant sein – sonst kann das schnell zum Bumerang werden. Der Buchautor und Finanzexperte Thilo Sekol diskutierte in Bad Schönborn mit Bürgerinnen und Bürgern über Chancen und Risiken bei der Entwicklung einer Gemeinde.

Über zwei Stunden diskutiert er im Rahmen des Bürger-Dialogs der CDU Bad Schönborn die wichtigen Aspekte anhand konkreter Projekte in Bad Schönborn. „Die Erschließung eines neuen Areals muss wohl überlegt sein“, so Sekol. „Wird ein Stück Grün erst mal bebaut, wird dies de facto für Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte nicht mehr umgekehrt. Die unbebaute Fläche der Gemeinde ist das Tafelsilber, das nur einmalig veräußert werden kann.“ Und Sekol räumte gleich zu Beginn mit weit verbreiteten Irrglaube auf: „Werden diese Flächen für gewerbliche Zwecke genutzt, fließen zwar zusätzliche Gewerbesteuern. Nur heißt das noch lange nicht, dass der Gemeinde auch tatsächlich mehr Einnahmen bleiben. Im gleichen Zug werden nämlich bei finanzschwachen Gemeinden auch die Schlüsselzuweisungen des Landes reduziert, sodass unterm Strich im Zweifel nichts bleibt.“ Ganz zu schweigen von den Erschließungskosten und den langfristigen Kosten für den Unterhalt von Straßen, Kanalnetz usw. Im Fall von Erschließung zusätzlicher Flächen für Wohnungsbau sind ebenfalls Kosten und Nutzen genau abzuwägen. Wirtschaftlich jedenfalls lohnt sich das laut den detaillierten Berechnungen des Controllers in den seltensten Fällen. Die kurzfristigen Grundstückserlöse werden in der Regel durch den Bedarf der Neubürger an zusätzlicher Infrastruktur und den Folgekosten schnell aufgezehrt. „Mittelfristig zahlen Sie mit Sicherheit drauf!“ Und auch die indirekten Auswirkungen sind zu beachten: Das Verkehrsaufkommen insgesamt steigt. Und Zuzug an einer Stelle bedeutet Abzug an anderer Stelle, sei es innerörtlich - häufig führt die Erweiterungen an den Außenrändern zu einem Ausbluten der älteren Ortskerne – oder aber überregional als Verwaisung weniger attraktiver Landstriche. Besser sieht das natürlich bei Innenverdichtung aus. Brachliegende Gewerbeflächen innerhalb der Orte wieder als Wohnraum nutzbar zu machen ist der Versiegelung von Äckern und Wiesen an den Ortsrändern aus vielerlei Gesichtspunkten vorzuziehen. Aber auch dabei müssen die Folgen immer klar im Blick bleiben: Verkraftet die vorhandene Straßensituation den zusätzlichen Verkehr? Brauchen wir zusätzliche Infrastruktur wie beispielsweise Kindergartenplätze? Keine aus der Luft gegriffenen Argumente, wie die aktuellen Diskussionen rund um die Erschließung im Bereich des Bahnhofs Mingolsheim zeigen. Aber sollten wir aufgrund der nüchternen wirtschaftlichen Bilanz auf weiteres Wachstum gänzlich verzichten? Sicher nicht, da waren sich Bürger und Experte einig. „Wir wollen den ortsansässigen Betrieben Perspektiven bieten können und müssen auch der stetigen Nachfrage an Wohnraum ein Stück weit Rechnung tragen“, so das Fazit von Jochen Fellhauer, der wie gewohnt als Moderator durch den Bürger-Dialog führte.(JFe)